AOL FRANCE, 22.03.1999

Vollständige Abschrift des Interviews vom 22. März 1999


AOL France: © Copyright Canal+ 1999
Übersetzung ins Deutsche: Oskar Schuler

Also available in English and French.

Guten Abend, Alain Prost, wir freuen uns, Sie zu diesem Auditorium zu begrüssen. Wir beginnen gleich mit der ersten Frage.

Was ist das Ziel für diese Saison?
Das Hauptziel ist, während des ganzen Jahres einen grossen Fortschritt zu erzielen. Wenn wir McLaren und Ferrari als die beiden favorisierten Teams betrachten, ist unser Ziel, mit Teams wie Benetton, Sauber und Williams zu kämpfen... Im Besonderen ist es eine Vorbereitung auf die Saison 2000, die viel besser sein wird.

Was denken sie von den Leistungen von Olivier Panis am Australien GP?
Olivier hatte viele kleine technische Probleme während der Tests. Er verpasste das Qualifying. Während des Rennens kam er auf ein viel besseres Leistungsniveau zurück. Bei der Session am Morgen war er an 5. Position. Aber im Moment ist er nicht in einer Top-Verfassung. Er braucht sehr bald ein gutes Resultat.

Was erwarten Sie von Ihren Boliden für den GP von Brasilien?
Normalerweise sollte das Layout der Strecke eher vorteilhaft für uns sein. Es ist eine grossartige Strecke mit vielen schnellen Kurven, Geraden, Auf- und Ab-Passagen. Wir haben ein eher langes Auto, einen kräftigen Motor in hohen Umdrehungen. So wie wir in diesen letzten Tagen während der privaten Tests Fortschritte gemacht haben, hoffen wir, dass wir gute Resultate holen werden. Das Ziel ist, Punkte zu gewinnen.

Ist die Formel 1-Saison 99 nicht das entscheidende Jahr für Prost GP?
Diese Frage wird mir sehr oft gestellt. Ich denke, dass 1999 sicher nicht das entscheidende Jahr sein wird. Auf der anderen Seite ist es ein sehr wichtiges Jahr in der Konstruktion des Teams. Das ist der Grund, weshalb ich gesagt habe, dass wir einen bedeutenden Fortschritt erzielen sollten. Aber es ist wichtig, auf längere Zeit zu planen. Wir sollten uns nicht nur auf eine einzelne Saison konzentrieren.

Seid ihr während der Barcelona-Tests in Rennkonfiguration gewesen?
Wir waren die ganze Zeit in Rennkonfiguration. Wir machten viele Dauertests, um an der Zuverlässigkeit des Wagens und des Motors zu arbeiten. Nur am Ende des letzten Tages suchten wir nach unserem Leistungsstand auf einer Strecke, die viel langsamer war, da es weniger Wind hatte. Aber das Ziel dieser Tests war ganz und gar nicht die Leistung.

Wie verbringen Sie eine F1-Saison, wo doch so viel Geld auf dem Spiel steht?
Die Schwierigkeit ist, die nahe Zukunft zu managen und gleichzeitig die Strategie auf lange Zeit hinaus vorzubereiten. Die Finanzen sind sehr wichtig. Paradox daran ist, dass wir mehr Geld brauchen, um zu gewinnen aber es ebenfalls nötig ist zu gewinnen, um mehr Geld zu haben!!! Das ist der Grund, weshalb ich mehr auf lange Zeit hinaus arbeite.

Welches sind Ihre grössten Entwicklungsprobleme?
Wir können nicht sagen, dass wir in jenem Bereich ein grosses Problem haben: ein F1-Bolide ist so komplex, es gibt eine Riesenmenge an Details, die man anpassen muss. Das grösste Handicap heute ist vielleicht, dass wir für unsere schlechte Saison 1998 zahlen und 1999 alles ändern müssen. Zusätzlich ist das Gewicht von unserem Motor/Getriebe-Paket immer noch viel zu hoch. Trotz allem begannen wir, die Bereiche, auf die wir uns konzentrieren müssen, zu bestimmen. Aber wir können nicht alles in kurzer Zeit realisieren. Aus diesem Grund ist das grösste Problem ein Zeitproblem!

Wer waren für Sie die vielversprechendsten "Neulinge" der letzten beiden Saisons?
Trulli, Fisichella, Wurz, Ralf Schumacher, vielleicht Zonta und De La Rosa...

Die Leute sprechen oft über Sicherheit. Welches sind für Sie die besorgniserregendsten Probleme?
Letzten Winter hatten wir grosse Probleme mit den Flügeln. Wir hatten Glück, das kein Fahrer verletzt wurde. Das Problem ist, dass unsere Auspuffgase auf die Heckflügel geleitet werden. In der Formel 1 gab es viele Verbesserungen an den Autos und auch an den Strecken. Das heute grösste Problem könnte durch die Tatsache entstehen, dass die F1-Boliden immer leichter und immer kleiner werden, dass sie aus immer leichterem Material hergestellt werden. Einige Wagen haben um die 50 kg Ballast dabei, der von den Teams je nach Rennen an verschieden Orten plazieren kann.

Wie entschieden Sie sich für eine Sportlerkarriere?
Als ich mit 8 Jahren Fussball spielte! Und als ich eines Tages per Zufall einen Kart fuhr. Damals war ich 15... Und danach...

Welches ist Ihre Meinung zu der Polemik mit den beiden verschieden lackierten BAR?
Es ist eine weise Entscheidung der FIA. Da unser Sport sehr ordentlich ist. Jedermann kann am Fernsehen die Marke der Wagen an ihren Farben und ihren Dekorationen erkennen. Das wäre ein für das Publikumsinteresse nachteiliger Präzedenzfall gewesen.

Was denken Sie von der Konkurrenz in diesem Jahr?
Ich denke, dass die Konkurrenz zunehmend stärker ist. Es gibt keine kleinen Teams mehr. Und wir könnten in dieser Saison sicherlich einige Überraschungen erleben. Die erste könnte vom Stewart Team kommen.

Denken Sie, dass es nicht genug Französische Fahrer in der Formel 1 hat?
Natürlich! Es ist nicht nur ein Mangel an Französischen Piloten! Es ist ein Mangel an Training und, alles in allem, ein Interesse, das nicht mehr vorhanden ist bezüglich der Vermarktung des Motorsports in Frankreich. Sponsoren eingeschlossen. Wir haben mit Sicherheit viel zu tun, um wieder eine wichtige Formation in diesen Land zu kreieren. Die Französischen Fahrer sind die Opfer dieses Systems.

Können wir eines Tages einen Transfer von Jean Alesi zu Prost GP erwägen?
Nichts ist unmöglich. Um einen Transfer zu realisieren, braucht es zwei Personen! Im Moment haben wir zwei Piloten, die perfekt ins Team passen. Aber man weiss nie.

Was fühlen Sie, wenn Trulli oder Panis ein Rennen aufgeben müssen?
Eine grosse Traurigkeit für das ganze Team, das enorm arbeitet... Seit mehr als zwei Jahren hat dieses Team jetzt gearbeitet, noch ohne sich am Erfolg freuen zu können. Ich fühle, dass dies sehr frustrierend für uns ist.

Sind die Probleme mit dem Getriebe für diese Saison teilweise gelöst?
Um ehrlich zu sein, haben wir unsere Getriebeprobleme seit einer sehr langen Zeit gelöst. 1998 gaben wir nur einmal deswegen auf... Es gab sehr viel Kommunikation wegen der Getriebeprobleme, viel weniger wegen anderer Probleme!!!

Wird Trulli die Nummer 1, falls er besser ist als Panis?
In unserem Team gibt es keine Nummer 1 oder Nummer 2, so lange wir nicht um den Weltmeisterschaftstitel kämpfen. Aber wenn ich persönlich einem Piloten den Vorzug geben müsste im Interesse des Teams und nur in diesem Interesse, dann würde ich es ohne Probleme tun!

Werden Sie den AP02 selber fahren, sei es für Ihr eigenes Vergnügen oder für das Setup des Wagens?
Weder für das eine noch für das andere. Ich bin nie in meinem Wagen gefahren noch darin gesessen!!! Für die Setup's: das würde zu viel Zeit benötigen, da man in Top-Verfassung sein muss, damit es nützlich ist. Und für das Vergnügen, obwohl ich es sicherlich hätte: ich denke, dass es für das Team heute viel zu tun gibt und das ist wichtiger als mein eigenes Vergnügen!

Welche Erkenntnisse haben Sie aus dem ersten GP dieser Saison gewonnen?
In etwa das, was wir schon vor unserer Reise nach Melbourne dachten. McLaren ist stärker als wir dachten und es gab eine kleine Überraschung mit Stewart. Im Rennen waren wir, wo wir uns erwarteten, obwohl wir die Qualifikation am Samstag verpasst haben. Es sind nun 5 Wochen vor dem nächsten Grand Prix, alle Teams werden viel arbeiten und der GP von Brasilien wird ein wahrer Test!

Fühlen Sie sich konkurrenzfähig verglichen mit Top-Teams wie Ferrari...?
Für den Moment ist es unmöglich, mit Ferrari und McLaren zu konkurrenzieren. Wegen ihrer finanziellen und technischen Möglichkeiten sowie der grossen Anzahl Mitarbeiter und der viel grösseren Erfahrung brauchen wir immer noch Zeit, bevor wir mit den beiden Teams konkurrenzieren können.

Wie lange dauert die Prost-Peugeot-Partnerschaft?
Unsere Zusammenarbeit endet vertraglich am Ende das Jahres 2000. Wir haben bereits Diskussionen um eine Verlängerung begonnen.

Wo sind die Emotionen, die man während eines Rennens fühlt, stärker: im Wagen oder an den Boxen?
Ich hätte nie gedacht, dass meine Gefühle als Teambesitzer viel stärker sein würden als sie für mich als Fahrer waren. Vielleicht weil ich mich ausserhalb des Wagens viel weniger beherrschen kann!!!

Welches ist Ihr bestes Souvenir aus der Zeit als F1-Pilot?
Das beste Souvenir ist die Saison 1986 mit McLaren und speziell der letzte GP in Australien 86 als ich Weltmeister wurde!

Ist es schwieriger, Teambesitzer oder Fahrer zu sein, ist beides möglich?
Beides ist komplett unbegreiflich! Für mich ist es schwieriger, Teambesitzer zu sein, speziell heute mit den ökonomischen Verwicklungen. Es ist ein richtige Unternehmung.

Denken Sie, dass der neue Peugeot A18-Motor genug entwickelt worden ist, um eine Zuverlässigkeit zu garantieren, die es dem Team möglich macht, den 1. Grand Prix zu gewinnen?
Peugeot arbeitet viel an der Zuverlässigkeit des A18-Motors und entwickelt gleichzeitig einen komplett neuen Motor mit komplett neuer Technologie. Er wird und die Möglichkeit geben, im Jahr 2000 bezüglich der Leistung einen grossen Sprung vorwärts zu machen. Alle in unserem Team sind sich bewusst, dass wir diesen neuen Motor brauchen, um eine sehr gute Leistung zu zeigen.

Sind sie nicht enttäuscht, Peugeot-Motoren gewählt zu haben, da sie mit Honda exzellente Ergebnisse erzielt haben wie einen Sieg in Monaco?
Es war mein Wunsch, eine Partnerschaft mit einem Französischen Hersteller einzugehen. Wir wollen Weltmeister mit einem Französischen Team werden.

Weshalb haben Sie von STAND21 Fahrerkombinationen zu jenen von SPARCO gewechselt?
Normalerweise werden Fahreranzüge nach folgenden Kriterien gewählt: 1. Sicherheit, 2. Ästhetik und 3. Finanzen. Diese Wahl wird gleichzeitig auch mit den Fahrern und den Mechanikern des Teams gemacht um für Ihren Komfort während der Boxenstopps.

Welches sind Ihre Kriterien für die Wahl eines Fahrers in Ihr Team?
Das Talent natürlich! Aber auch der Teamgeist.

Denken Sie, dass Ihre Erfahrung für die Entwicklung des Teams bestimmend ist?
Ich denke, dass sie wichtig ist, aber nicht bestimmend. Es ist nie nur eine Person, die ein F1-Team retten kann. Es wäre ein Fehler, dies zu glauben.

Können wir sagen, dass es mehr mechanische Fehler gibt als menschliche?
Im Allgemeinen sind die Wagen immer zuverlässiger verglichen mit denjenigen vor ein paar Jahren. Die menschlichen Fehler existieren immer, der Beweis!!! ;0)

Die Qualität der Reifen scheint bei der Konstruktion eines Formel 1-Wagens der einzige Parameter zu sein, der vom Teamdirektor nicht kontrolliert werden kann. Werden die Reifen an alle Teams gerecht verteilt?
Ich denke, dass 1999 eine gerechte Verteilung an alle Teams stattfindet, da es ein Monopol gibt. Wenn es einen Wettbewerb zwischen zwei Herstellern gibt, ist dies nicht immer der Fall...

Ist der PROST GP Club ein "Motor" für Ihr Team?
Es ist ein Motor für das Team selbst und auch für die Fans, die Supporter. Der Club ist ein Mittel, sich zu sammeln und das Team bekannt zu machen, sei es in Frankreich oder im Ausland. Er gibt uns zusätzliches Image und ist auch wichtig für unsere Sponsoren.

Ist die FIA-Reglementierung zu strikt für ein neues F1-Team?
Nein. Die einzige Schwierigkeit für einen neuen Konstrukteur in der Formel 1, wie es letztes Jahr für uns der Fall war, ist, dass es zu drastische Änderungen im Reglement gibt. Diese Änderungen sind immer ein Vorteil für die Top-Teams.

Fragen die Sponsoren um eine Investition Ihrerseits oder sind sie zufrieden, wenn sie ihr Logo auf einem Boliden sehen, der in der ersten Hälfte der Startaufstellung seht? Anders gefragt, können sie nur Mäzen sein?
Es gibt keine Mäzen mehr in diesem Sport. Jeder Sponsor braucht Sichtbarkeit. Dies ist weniger wichtig, wenn man in der Mitte der Startaufstellung steht. Wir müssen es kompensieren mit anderen wichtigen Operationen wie, zum Beispiel, der internen Motivation in der Firma, mit Beziehungen zwischen den beiden Firmen, PR-Aktionen auf allen Strecken der Welt... Die Partner vom Team Prost GP bringen mehr als 7000 Menschen in der ganzen Welt an allen Rennstrecken unter (wir sind diesbezüglich an zweiter Stelle hinter McLaren).

An welchen Teilen des Autos versucht Ihr im Moment Fortschritte zu erzielen?
Im Bereich des Gewichts selbstverständlich! Das Gewicht bleibt das Hauptelement. Wir arbeiten auch sehr viel an der Aerodynamik. Für Imola werden wir auch eine erste Motorenevolution haben. Danach werden wir weitere zwei Motorenevolutionen haben. Das Auto wird ununterbrochen weiterentwickelt.

Was halten Sie von Ralf Schumacher?
Ich persönlich halte ihn für sehr gut. Er ist jemand, den ich in Zukunft im Auge behalten werde.

Sie sprachen über die Reduzierung des Gewichts von schweren Motoren, in dem sie leichtere Legierungen für deren Design benützen?
Anfänglich ist es nötig, an den Dimensionen und am Platzbedarf zu arbeiten. Die Legierung ist ebenfalls ein Teil der Projekte von Peugeot.

Es scheint, als ob alle Fahrer das gleiche Talent hätten und nur die Wagen den Unterschied machen. Was denken Sie darüber?
Ich kann nicht wirklich zustimmen. Die Leistung des Wagens ist von höchster Wichtigkeit. Aber die Arbeit des Fahrers im Team, hauptsächlich seine Art, die Ingenieure zu informieren, die Mechaniker zu motivieren, in Verbindung zu seinem natürlichen Talent, macht häufig eine noch wichtigere Differenz aus.

Olivier Panis scheint Schwierigkeiten zu haben, zu seiner Form zurückzufinden, die er vor dem Unfall hatte und Trulli ist oft besser plaziert als er. Was denken Sie darüber?
Im Moment scheint Jarno in besserer Kondition zu sein. Diese Art der Situation ist völlig logisch. Es gibt immer einen ein bisschen schnelleren Fahrer im gleichen Team. Im Moment ist es Jarno. Aber es heisst abwarten. Ich denke nicht, dass Olivier's heutige Leistungen einen Zusammenhang mit seinem Unfall haben.

Bringen die Änderungen des Reglements nicht die Sicherheit des Fahrers in Gefahr?
Nein. Ich persönlich halte die Änderungen des Reglements in letzer Zeit nicht für sehr gut, im Interesse der Rennen. Aber die Sicherheit ist nicht in Gefahr.

Glauben Sie wirklich an einen GP auf einem Amerikanischen Ovalkurs oder sonstwo?
Die Strecke von Indianapolis, auf welcher der USA GP im Jahre 2000 stattfinden wird, ist eine neue Strecke, die scheinbar nur eine erhöhte Kurve der Ovals beinhalten wird. Im Allgemeinen sind die Formel 1-Wagen überhaupt nicht für Rennen auf Ovals geeignet.

Wir haben gesehen, dass McLaren die Fahrer sehr tief im Auto plaziert hat. Was halten Sie davon?
Die Gewichtsverteilung und der Schwerpunkt der aktuellen Wagen haben praktisch gleichviel Einfluss wie die Aerodynamik. McLaren hat mit den sehr kleinen Mercedes-Motoren einen riesigen Spielraum auf diesem Gebiet.

Stimmt es, dass das Prost-Team Morgen und am Mittwoch an Privattests in Magny-Cours sein wird? Wenn ja, ist es möglich, die Tests anzuschauen?
Ja, wir werden Morgen und am Mittwoch in Magny-Cours testen, zusammen mit anderen Teams (Stewart, Sauber und Williams und andere). Es ist möglich, die Tests anzuschauen, wenn Sie sich an der Rennstrecke erkundigen.

Alain Prost, vielen Dank für Ihre Teilnahme! Ein kleines Wort zum Abschluss?
Bis am 11. April in Brasilien, hoffen wir, dass wir dort die ersten Punkte für unser Team gewinnen werden. Vielen Dank für Eure Unterstützung!


AOL France: © Copyright Canal+ 1999
Übersetzung ins Deutsche: Oskar Schuler



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