AUTO MOTOR UND SPORT, 30.12.1993

INTERVIEW Alain Prost
"Alles andere als ein Don Juan"


Ganz offen in auto motor und sport: der vierfache Formel 1-Weltmeister Alain Prost über den Formel 1-Zirkus, Dompteur Ecclestone, seinen Lieblingsfeind Senna und über seine Karriere, sein Verhältnis zu Frauen und seine Zukunftspläne.

War der Händedruck für Ayrton Senna in Adelaide wirklich ein Zeichen für das Ende des Krieges zwischen euch?
Kein bißchen - Versöhnung war da nicht im Spiel. Man kann eine schwierige Vergangenheit nicht einfach mit einem Händedruck wegwischen. Senna wollte sich wichtig machen - er brauchte was für sein Image, wie immer. Vor allem nach dem Theater mit Irvine. Er brauchte etwas, um sich bei Williams einzuschmeicheln, so einen Gentleman-Touch. Und ich wollte ihn vor all' den Leuten nicht einfach stehen lassen, ich nahm seine Hand. Das Publikum erwartete einfach versöhnte Champions - aber wie kann man einem Typ wie Senna trauen? Ich denke nur an Monza 1990, wo wir Frieden schlossen und er mir drei Wochen später in Suzuka mit 300 km/h ins Auto fuhr.

Hing Ihre Entscheidung aufzuhören mit dem Engagement Sennas bei Williams zusammen?
Ich hatte mich schon lange vor der Bekanntgabe meiner Entscheidung in Portugal zum Aufhören entschlossen. Ich habe Frank davon informiert - und er fragte mich, ob er Kontakt mit Senna aufnehmen könnte. Ich war einverstanden - und Ayrton versprach Williams so lange zu schweigen, bis ich meinen Rücktritt angekündigt hätte. Als er aber hörte, daß ich in Estoril sprechen würde, arrangierte er eine Stunde vor der von mir organisierten Pressekonferenz ein Journalisten-Meeting. Dort teilte er mit, daß er McLaren verließe. Ich kam mir wie ein Idiot vor, weil alle Welt wußte, daß ihn nur Williams-Renault interessierte. Wieder einmal hielt er sein Versprechen nicht - Frank war entsetzt, aber mich hat sein Verhalten nicht gewundert.

Was halten Ihre besten Partner Renault und Elf von Ihrem Rücktritt? Die Saison 1994 beginnt ohne den amtierenden Weltmeister.
Bei mir ist das anders als bei Mansell. Ich fahre ja nicht woanders, sondern pflege weiterhin meine guten Beziehungen zu Renault und Elf. Sie sind sehr glücklich darüber, daß sie meinen Titel werbemäßig nutzen können. Aber sie verstehen und respektieren meine Entscheidung.

Was werden Sie zukünftig machen? Golf kann doch wohl nicht Ihr einziger Lebensinhalt sein?
Alle Welt bemüht sich, mir einen Job zu beschaffen -aber ich fühle mich nicht wie ein Arbeitsloser. Und ein bißchen Kohle hab' ich auch auf die Seite geschafft. Sogar Schauspieler soll ich werden. Ernsthaft: Ich habe noch sehr viele Verpflichtungen mit meinen Sponsoren. Wenn das erledigt ist, will ich richtig Ferien machen, Sport treiben und mich dann in neuen Aktivitäten engagieren.

Denken Sie an ein eigenes Formel 1-Team?
Das ist eine Möglichkeit, aber bei weitem nicht die einzige. Sollte ich ein Team aufbauen, müßte es ganz französisch sein: Chassis, Motor, Fahrer, Sponsoren. Mein eigenes Geld will ich aber nicht investieren, das ist klar. Wenn das gelänge, wäre es eine tolle Herausforderung. Wenn die Umstände allerdings nicht stimmen, will ich gar nicht darüber nachdenken.

Welches war die Sternstunde Ihrer Karriere?
Es gibt viele Höhepunkte im Leben eines Formel 1-Fahrers. Ich denke gern an den Gewinn meines zweiten WM-Titels - da war das Glück bei mir.

…und die übelste Situation?
Auch da gibt es viele. Ich erinnere mich besonders an Donington und an die Art, wie die Presse mit diesem Rennen umgesprungen ist. Damals habe ich mir einen zweisitzigen Rennwagen gewünscht, um einigen dieser "Fachjournalisten" mal die Augen zu öffnen.

Welches war Ihr bestes Rennen?
Es ist schwer, bei 51 GP-Siegen den schönsten herauszufinden. Vielleicht der Sieg im Ferrari in Mexiko 1990, als ich weit hinten startete und dann vor meinem Teamkollegen Mansell Erster wurde. Ein Sieg in einem Ferrari ist immer etwas ganz Besonderes.

Was hat sich in der Formel l geändert, seit Sie 1980 eingestiegen sind?
Alles, aber wirklich alles. Die heutige Formel l läßt sich mit der von 1980 überhaupt nicht vergleichen. Alles ist hyper-professionell geworden, die Fahrer haben überhaupt keine Zeit mehr für sich. Früher war Fitneß ein Randthema für die Piloten, heute ist es ein Muß. Und: Die Stimmung hat sich im schlechtesten Sinne geändert - mit ein Grund für mich aufzuhören.

Worüber haben Sie sich in Ihrer Karriere am meisten geärgert?
Vieles hat mich wütend gemacht - besonders wenn Leute wortbrüchig wurden, wenn sie logen oder furchtbar angaben. Die Formel l ist kein Spielplatz, und jeder ist nur zu bereit, dich fertig zu machen, um auf deinen Platz zu kommen. Aber auch die Dummheit und Arroganz einiger Journalisten hat mich genervt - zum Glück sind meine Ausbrüche aber nur kurz und heftig.

Welches waren die besten Zeiten in Ihrer Laufbahn?
Auch wieder schwer zu sagen. Ich habe schöne Erinnerungen an meine Zeit mit Niki Lauda. Er hatte viel Charisma und so viel Erfahrung, daß er einen jungen Fahrer wie mich faszinierte. Und: Er gab zu, daß ich schnell sei - ein Kompliment, das mich stolz machte. Damals war die Formel l noch menschlich.

Vergleichen Sie doch bitte die Teams, in denen Sie fuhren: McLaren, Renault, Ferrari und Williams. Wo waren da die Unterschiede?
Das Geheimnis in der Formel l sind nur Geld und Organisation. In puncto Geld waren sich die vier Teams wohl gleich, aber in der Organisation unterschieden sie sich sehr. In diesem Bereich ist McLaren unschlagbar. Als ich bei Ferrari fuhr, gab es dort weder Disziplin noch Organisation. Williams kommt nahe an McLaren heran - aber ein bißchen fehlt. Das wird aber durch den Renault-Motor kompensiert.

Warum wurde denn Renault damals nicht Weltmeister?
Ich habe doch schon gesagt daß die Teamorganisation das A und O in der Formel l ist. Renault war damals zu schwerfällig, gigantisch überorganisiert, langsam bei Entscheidungen. Auch mental war man nicht ganz dabei - aber alles hat sich, wie man erleben konnte, völlig geändert.

Warum sind Sie eigentlich damals mitten in der Saison bei Ferrari ausgestiegen?
Ich bin nicht ausgestiegen, Ferrari hat mich entlassen. Weil ich zu offen über das Chaos im Team gesprochen habe. Aber ich habe nur jene Leute kritisiert, die später rausflogen. Mit Jean Todt und der neuen Organisation dürften Gerhard und Jean wieder tolle Chancen bei Ferrari haben.

Hat die Formel 1 Ihren Charakter verändert?
14 Jahre in der Königsklasse beeinflussen jeden Menschen. Ich habe in dieser harten Schule viel gelernt, meinen Charakter aber nicht umgekrempelt. Ich habe kämpfen geübt, weiß, wie ich mit allen Mitteln zum Erfolg kommen kann, auch in einer Welt wie der englischen, die mir oft äußerst feindlich gesinnt war.

Ist es denn wirklich so hart in der Formel 1?
Hart - und hermetisch abgeschlossen. Von Leidenschaft ist wenig zu spüren - nicht einmal die Zuschauer können sie erleben. Sie zahlen zwar enorme Eintrittsgelder, aber sie bekommen nichts vom Zirkus mit. Da muß viel geändert werden.

Müßten denn da nicht auch alle elektronischen Hilfsmittel abgeschafft werden, damit die Rennen wieder spektakulärer werden?
Machen wir uns nichts vor - Formel l ist Sport der Reichen. Nur wer das große Geld hat, fährt vorne - mit oder ohne Elektronik. Mit Köpfchen und Dollars geht alles - und neue Schlupflöcher im Reglement findet man auch.

…und die eigentliche Rennerei leidet, denn die Rolle des Fahrers wird immer unbedeutender.
Richtig - da muß etwas geschehen. Ich bin nicht für die Abschaffung des automatischen Getriebes - zwei Hände am Lenkrad sind immer sicherer als nur eine -, aber es gibt andere Technologien, die die Bedeutung des Fahrers zu sehr verringern. Heutzutage wird so viel erleichtert, daß man die Fähigkeiten und Talente eines Piloten nicht mehr erkennt.

Was würden Sie ändern, wenn Sie Bernie Ecclestone wären?
Zuerst mal den Bernie... Ehrlich, Bernie hat unheimlich viel für die Formel l getan. Aber es ist mehr zu machen: Vor allem muß dieser Sport nach außen und innen wieder menschlicher werden. Apropos Bernie: Wenn ich wollte, daß er eine üble Nacht hätte, dann brauchte ich nur zu verbreiten, daß ich meine Meinung geändert hätte und noch eine Saison bei Williams oder McLaren fahren wollte.

Sie sind 1994 nicht mehr dabei - wer wird Weltmeister?
Keine Meisterschaft läßt sich voraussagen. Logischerweise wird Williams dank der Renault-Motoren Favorit sein. Und damit dürfte Senna zum vierten Mal Weltmeister werden. Aber Benetton, McLaren und Ferrari werden mitreden.

Senna wieder vorne - wird er sich charakterlich ändern? Was sagen Sie zu seiner Prügelei mit Irvine?
Das ist nicht zu akzeptieren. Wie ich verdankt auch Senna der Formel l sehr viel - da muß man sich schon korrekt benehmen. Wenn ich daran denke, daß er Irvine zwei Stunden nach dem Rennen eine reinhaute... Ich erinnere mich an Suzuka 1990 - damals hatte ich nicht übel Lust, Senna zu packen. Ich hielt mich zurück - er nicht. Und bei Irvine, einem Neuling, glaubte er, hinlangen zu können. Das paßt so richtig zu seinem Image als verzogener Balg.

Neulinge, junge Löwen, Newcomer. Was halten Sie von Wendlinger, Häkkinen, Lehto, Herbert, Fittipaldi, Barichello oder Irvine?
Sie sind alle sehr begabt - jetzt kommt es nurmehr darauf an, daß sie im richtigen Moment die richtige Entscheidung treffen. Und daß sie Glück haben - das spielt nämlich im Motorsport eine besondere Rolle.

Wäre es für Sie ein großes Glück, wenn Sie eines Tages einen Mercedes-Silberpfeil fahren könnten? Wenn Sie dabei wären beim Mercedes-Comeback?
Prost: Solch eine Testfahrt würde mir schon gefallen. Auch andere Formelautos würde ich in Zukunft gern ab und zu probieren, denn ich weiß heute schon, daß mir das Fahren fehlen wird. Im übrigen finde ich es ganz toll, daß Mercedes kommt und an eine glorreiche Vergangenheit anknüpft. Das ist gut für die Formel l und für den Motorsport, daß da ein potenter Konkurrent hinzukommt.

Wie stehen Sie zum Geld?
Ich war der bestbezahlte Fahrer, ich habe viel Geld verdient. Ich hatte Glück, ausgerechnet zu dem Zeitpunkt in der Formel l zu fahren, als es richtig Kohle gab. Ich liebe Geld und ich respektiere es. Und deshalb lebe ich weit unterhalb meiner Möglichkeiten. Manchmal amüsiert man sich über meinen Geiz, aber das ist mir egal. Ich habe genügend Risiken auf mich genommen, um an mein Geld zu kommen. Und ich denke jetzt nicht daran, es leichtfertig aufs Spiel zu setzen.

Haben Sie Freunde im Motorsport oder außerhalb?
Es ist schwer, Freunde zu haben, vor allem in der Formel l. Eine Ausnahme war meine Freundschart mit Gilles Villeneuve. Heute bin ich Jean Alesi sehr nahe.

Näher als allen Frauen, mit denen Sie sich gern schmücken?
Frauen haben mich immer angezogen. Eine Frau weiß immer, was sie will, und sie bekommt es immer. Ich habe diesen starken Willen bewundert - aber meine Beziehungen zu Frauen waren nie kopfgesteuert. Ich weiß aber, daß ich nur deshalb soviel Erfolg bei Frauen habe, weil ich bekannt bin, viermal Weltmeister war und Geld habe. Äußerlich bin ich ja alles andere als ein Don Juan. Wäre ich noch der kleine Prost aus St. Chamond, mon Dieu, ich hätte weniger Bewunderinnen. Sie sehen, auch da habe ich wieder Glück.

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Das Interview führte auto motor und Sport-Mitarbeiter Dan Alexandrescu



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