ZDF, 09.11.1985

Alain Prost in der Sendung "das aktuelle sportstudio"


Interview: Bernd Heller
Transcript: Oskar Schuler / www.prostfan.com

Alain Prost, gibt's demnächst auch die Prost Air, nach der Lauda Air?
Ich hoffe es schon, denn ich glaube, die Lauda-Ära war sehr erfolgreich, eine prima Zeit und ich glaube, Lauda war doch auch für mich immer ein Idol, ein Vorbild, auch jemand, meine ich, der mir viel beigebracht hat. Wenn es also eine Prost-Ära geben könnte, dann wäre das was Tolles für mich, ich hoffe es.

Das war zwar ein kleines Missverständnis, wenngleich ich Ihnen dankbar bin für diese Antwort. Ich fragte nämlich nach der Lauda Air, geschrieben mit AIR, also ein Gesellschaft, die sich mit Fliegerei beschäftigt…
Ah, haha…

Könnte Sie dies interessieren?
Nein, das glaube ich nicht, mit der Fliegerei, da gibt es wohl keine Zweifel, da lasse ich ihm das Feld, unbestritten. Ich möchte auf der Rennstrecke bleiben.

Sie haben ja Golf gespielt. Wir haben uns davon überzeugen können, dass Sie auch das exzellent beherrschen. Ist das für Sie das Kontrastprogramm zur hektischen, zur aufgeregten Formel 1-Szene? So ein bisschen bei Vogelgezwitscher durch die Natur zu marschieren? Sie haben ja sogar einen eigenen Golfplatz, wie ich las.
Stimmt, ich habe einen Golfplatz, aber das ist mehr so ein bisschen businessmässig, denn ich spiele Golf insbesondere in der Schweiz, dort wo ich wohne und für mich ist das ein Mittel, praktisch überall in der Welt zu spielen. Überall gibt's Golfplätze und dadurch habe ich Zugang. Das ist ein ganz tolles Spiel, ein toller Sport. Und man kann durch das Handicap auch manchmal mit wesentlich stärkeren Leuten spielen, und in diesem Sport kann man auch bis sechzig, siebzig Jahre bleiben, das finde ich so gut an solchen Spielen.

Bis sechzig, siebzig Jahre wird man in der Formel 1 sicherlich nicht fahren können.
Nein.

Denkt man mal darüber nach, eine Karriere zu beenden, wenn man einen so grossartigen Erfolg errungen hat wie Sie, die Weltmeisterschaft dieses Jahr?
Ich glaube, dass ich mein erstes Ziel, das ich mir vor zehn Jahren gesteckt habe, als ich anfing zu fahren, jetzt erreicht habe, nämlich Weltmeister zu werden. Aber wenn man ein solches Ziel definiert, muss man auch dort dann nicht stehen bleiben, sondern - ich denke zwar manchmal an meinen Ruhestand, an eine Umschulung oder so was, aber da habe ich hoffentlich noch viele Jahre Erfolg dazwischen vor mir - ich möchte noch einige Rekorde schlagen. Den Rekord der Siege zum Beispiel, der mir sehr am Herzen liegt. Und solange ich den nicht gepackt habe, will ich noch nicht aufhören.

Sie haben glaub ich jetzt 21 Siege, oder habe ich das falsch in Erinnerung? Und wie viele müssten Sie dann erreichen, um Rekordhalter zu werden?
Der Rekord liegt bei 27 Siegen. 21 habe ich, 6 brauch ich noch, dann habe ich ihn eingestellt. In zwei, drei Jahren, hoffe ich, wird es soweit sein.

Das ist eine Spekulation, die kann natürlich aufgehen. Aber manchmal täuscht man sich. Sie sind ja im Jahr 1980 als das Wunderkind in der Branche gefeiert worden. Man hat Ihnen schon nachgesagt, das dauert nur ein oder anderthalb Jahre, bis Sie Weltmeister sein würden. Dann hat es immerhin fünf Jahre gedauert. Gab es da irgendwelche Reibungspunkte, die Sie heute bereuen? Haben Sie Fehler gemacht oder gibt es eine andere Erklärung dafür, dass das Leben dann doch nicht so schnell fortschreitet in der Branche, wie es anfänglich schien?
Ich glaube, dass es eine Sache gibt, an die man sich erinnern sollte. Im Motorsport, im technischen Sport, ist die Technik vorne dran. Der Fahrer muss dem Gerät sehr oft Tribut zollen. Ausserdem die Tatsache, dass ich auf jeden Fall sicherlich auch Fehler gemacht habe und durch Fehler, glaube ich eben, lernt man. Man kann sie korrigieren und deswegen glaube ich, habe ich dieses Jahr auch die Weltmeisterschaft gewonnen, und zwar relativ einfach. Weil ich viele Fehler vorher gemacht hatte: 82, 83, vielleicht auch 84 ein bisschen, aber man muss halt auch viel Erfolg haben, viel Glück dazu, und ich glaub mit der Erfahrung, die man so akkumuliert, wird man dann irgendwann ein guter Fahrer, vielleicht wie Jackie Stewart oder Lauda und Jim Clark. Mir tut nichts leid. Keinen Fehler bedaure ich, den ich gemacht habe, weil ich glaube, dass es ganz folgerichtig ist, wenn man zu schnell aufsteigt in der Formel 1, dann besteht auch die Neigung, dass man sich für unschlagbar hält, meint man dürfe alles und könne keinen Fehler mehr machen und das nennt man letztlich Erfahrung, sehr bereichernd.

Wenn Sie keinen Fehler bereuen, dann können wir in der Tat bedenkenlos eine Szene aus Zandvoort einspielen, wo Sie zweifellos einen Fehler gemacht haben. Sie werden sicherlich wissen, was ich meine, vielleicht gucken Sie sich das nochmals an. Mit Nelson Piquet hat es da eine kleine Berührung gegeben, vielleicht schildern Sie es aus Ihrer Sicht nochmal, dann kommt die Zeitlupenwiederholung gleich nochmal.
Ja, das ist eine Stelle, an der man sehr schwierig nur überholen kann. Da ist die Piste ein bisschen buckelig. Und da wollte ich trotzdem an Piquet vorbei und da geht der Wagen so ein bisschen quer weg, da blockieren kurz mal die Hinterräder. Und ich dachte, ich komme relativ einfach an ihm vorbei, aber das ist dann leider schlecht ausgegangen. Aber bei solchen Sachen kann man sich auch nicht entschuldigen, die Schuld nicht ablegen. Ich kann nur sagen, das ist in meiner ganzen Laufbahn das erste Mal gewesen und das einzige Mal in der Formel 1, das ich einen touchiert habe und ich glaube, leider ist das halt da passiert, als ich vorne lag in der Weltmeisterschaft. Und alle Zuschauer und Fernsehzuschauer haben das direkt und live gesehen. Das war so schade.

Das war das an diesem Tag sicherlich ein bisschen traurige Ende für Sie, denn der Frontspoiler war verbogen und Sie mussten das Rennen dann also beenden. In der Tat Kompliment, wenn das der gravierendste Fehler war, den Sie bisher in der Formel 1 gemacht haben. Andererseits: Mit Nelson Piquet ist ja nicht zu spassen. Wir haben ihn am Hockenheimring 82 mal erlebt, da hat er demjenigen, der ihm so reingefahren ist auch kräftig Prügel verabreicht, schon auf der Piste. Sie sind da ganz gut davongekommen noch an dem Tag oder hat es da noch eine Auseinandersetzung gegeben?
Nein, überhaupt nicht. Nelson war unheimlich fair da. Ich glaube, solche Sachen passieren halt, wenn man um den ersten Platz streitet. Bei Nelson 82 hatte er jemanden zu überrunden, das ist unangenehmer, da wird man schon zorniger. Aber trotzdem gibt's schon ziemlich viel Fairplay in der Formel 1 und manche Situationen muss man einfach verstehen, besonders, wenn es selten vorkommt.

Gibt es Freundschaften unter den Fahrern in der Formel 1?
Sehr wenig, sehr wenig. Gute Kameradschaft, aber Freundschaft im echten Sinne des Wortes ist schon schwer mit einem anderen Formel 1-Fahrer. Man sollte sie besser wohl gar nicht anstreben.

Niki Lauda wird Ihren Rennstall verlassen. Sie waren ja zwei Jahre gemeinsam in diesem Rennstall. Keke Rosberg wird sein Nachfolger sein. Wer ist Ihnen lieber, Lauda oder Rosberg?
Im Moment bevorzuge ich Lauda, weil ich mit ihm jetzt zwei Jahre arbeite und ich muss einräumen, dass ich mit ihm eine unheimlich gute Zusammenarbeit gehabt habe, die es vielleicht nie wieder geben wird in einem Rennstall in der Formel 1. Das hatte es vorher auch nie gegeben seit Beginn der Formel 1. Das tut mir sehr leid. Aber mit Keke Rosberg hoffe ich natürlich, genau so eine gute Zusammenarbeit zu haben wie mit Niki. Aber es wird schwer sein, jetzt eine Neuauflage dieser zwei, drei Jahre zu schaffen.

Sie haben vorhin mal die Abhängigkeit des Fahrers von der Technik angesprochen, die ja zweifellos gegeben ist. Wie sehr fühlen Sie sich denn noch als Sportler? Ich frage Sie das deshalb, weil ich weiss, dass Sie eine sehr sportliche Vergangenheit hatten. Vielleicht können Sie auch mal erwähnen, was Sie alles gemacht haben früher.
Ich habe immer Ballspiel betrieben. Seit ich neun oder zehn war. Leichtathletik, hab 80-Meter- und 100-Meter-Rennen gelaufen, habe Karting viel gemacht, drei, vier Jahre lang, vor der eigentlichen Automobillaufbahn. Ich bin ziemlich begeisterter Skifahrer. Hab das Handicap 18, spiele vielleicht ein bisschen besser noch im Golf und ich glaube, ich bin schon so ein Allroundsportler. Der Formel 1 habe ich immer bewiesen eigentlich, dass ich ein ziemlicher Sportler bin und wenn man nun sagt: "okay, das ist doch eine Frage des Charakters, er verliert nicht gern" und so weiter, aber ein echter Sportler, der sich achtet, der verliert nicht gerne. Und ich muss zugeben, dass es das ist, was mir am meisten stinkt. Und ich versuche, alles auf meine Seite zu bringen und überall zu gewinnen.

Die Franzosen oder die französische Öffentlichkeit hat Ihnen auch immer gestunken. Ich nehme an, das war mit ein Grund, weshalb Sie in die Schweiz übergesiedelt sind. Oder gibt's da andere Gründe?
Das ist schon ein ganz, ganz massgeblicher Grund. Ich bin doch ziemlich kritisiert und ziemlich angefahren worden. Ich war so unbeliebt und dann gab es auch Steuergründe, die ich nie verhehlen wollte. Ich war immer ganz ehrlich. Da bin ich eigentlich so eingestellt wie alle andern. Und ich habe immer versucht, seit zehn, fünfzehn Jahren schon, seit ich versuche, in diesem Job zurechtzukommen, die Chancen alle auf meine Seite zu bringen, um es zu packen. Und wenn man es gepackt hat, dann darf man auch keinen der Faktoren vergessen, um oben zu bleiben, um das alles nutzen zu können, um die Früchte dieser Arbeit aus zehn Jahren auch noch zu geniessen.

Gut, die Früchte dieser Arbeit heissen ja auch, dass gerade in der Formel 1-Branche der Name, die Person vermarktet wird. Sie könnten doch in Frankreich der Star der Stars sein. Sie könnten sich auf der Champs-Élysées jeden Sonntag feiern lassen, im Grunde genommen. Und trotzdem sagen Sie: "Ich gehe lieber in die Schweiz". Ich könnte mir doch vorstellen, diese Ehe, die es mal gab, Renault/Alain Prost, die wäre - für Sie jedenfalls - von der wirtschaftlichen Seite her top. Da können Sie auch Ihre Steuerschulden sogar bezahlen - wenn es die noch gibt.
Ja, ja, ich denke das stimmt wahrscheinlich ein bisschen. Aber ich glaube, meine Laufbahn ist auf jeden Fall auch noch nicht im sportlichen Bereich beendet. Ich habe die Weltmeisterschaft gewonnen. Klar, ich bin ein Held in Frankreich, das nutze ich vielleicht nicht voll aus. Aber wenn ich dieses Jahr nochmal um einen Punkt verloren hätte, dann hätten sie mich wieder verrissen in Frankreich. Klar, jetzt sagt man mir: "Kommen Sie doch mal auf die Champs-Élysées und promenieren Sie die mal runter". Das habe ich auch dieses Jahr wieder abgelehnt. Aber ich bin Weltmeister und das ist nicht die Apanage eines Landes, das Recht eines Landes. Wir sind in Deutschland. Ich fahre ja auch mit einem Porsche-Motor, zum Beispiel. Ich fahre mit amerikanischen Reifen und amerikanischem Sponsor. Die Weltmeisterschaft gehört allen. Ich bin Weltmeister, okay, nicht nur französischer Meister.

Wenn Sie jetzt in der Schweiz leben, gibt es für Sie da genügend Möglichkeiten, Ihren privaten Anliegen nachzukommen? Ich hörte ja, dass Ihr Golfplatz in Dijon liegt. Warum haben Sie sich gerade die Schweiz ausgesucht?
Warum ich die Schweiz zum Leben ausgesucht habe?

Ja.
Naja, ich glaube, dass die Lebensqualität in der Schweiz für einen Automobilrennfahrer - ich reise viel, ich arbeite viel, glaube ich auch - ich brauche da viel Ruhe und die Lebensqualität ist für mich etwas sehr Wichtiges. Und da habe ich meine Ruhe. Die Leute respektieren auch das Privatleben. Das halte ich für sehr wichtig.

Vielleicht noch eines: Wie sind Sie denn zur Formel 1 gekommen oder zum Rennsport insgesamt? Es heisst ja oft, man braucht einen reichen Vater, den hatten Sie, glaub ich, nicht. Aber wie hat das geklappt bei Ihnen?
Ne, das erste Mal, als ich an einem Lenkrad sass, das war in einem Miet-Go-Kart an der Côte-d'Azur. Da war ich mit meinen Eltern im Urlaub. Und seit dem Moment habe ich versucht, alles zu machen, jeden Centime zu sparen, um mir irgendwann einmal einen gebrauchten Go-Kart zu kaufen. Das habe ich mit siebzehn dann gemacht. Ein Karting-Fahrzeug, dafür habe ich 700 Französische Francs damals bezahlt. Damit habe ich ein paar Rennen gewonnen, dann wurde ich übernommen durch ein französisches Unternehmen. Das hat mir gratis Material gestellt. Und dann habe ich ein Stipendium bekommen für die Rennfahrerschule in Castellet. Da habe ich den Lehrgang gewonnen. Bin damit so Halbprofi geworden am Anfang und danach natürlich Profi, muss aber zugeben, dass der Zugang zur Formel 1 mich nichts gekostet hat, ist aber wohl eine Ausnahme. Wenn man aber so einen Lehrgang macht, so eine Rennfahrerschule, dann ist das wohl eines der besten und billigsten Mittel, da reinzukommen.

Seitdem fahren Sie schnell, wo auch immer. Auch auf französischen öffentlichen Strassen und ich hörte Sie haben einen milden Richter gefunden. Richtig? Sie sind 170 gefahren, wo 90 zugelassen war. Wie hat der Richter das begründet, dass er Ihnen den Führerschein nicht abgenommen hat?
Naja, tausende von Leuten werden jeden Tag bei Radarfallen auf der Strasse erwischt. Und es war das erste Mal, dass sie mich gepackt haben, seit ich überhaupt Auto fahre. Ich glaube also, dass ich schon ein bisschen Nachsicht verdient habe und wenn man mir den Führerschein nicht weggenommen hat, dann vielleicht nicht, weil ich Weltmeister war, sondern vielleicht vor allen Dingen dank meines guten Anwalts.

Dank eines guten Anwalts, gut. Also, jetzt haben wir hier noch Eines. Sie waren auch mal auf dem besten Wege, ein Fussballprofi zu werden bei Saint-Étienne…
Ja.

…und ich hörte irgendwo, dass Sie stets nach dem Ergebnis von Saint-Étienne fragen. Ist ja eine traurige Geschichte, dass die inzwischen in der zweiten Liga spielen und wir immerhin bis 10 Minuten nach 10 brauchen, um das Ergebnis des Tages rauszubringen. Wissen Sie, wie sie gespielt haben?
Ja, ich habe das Resultat bereits. Ich glaube 2:0 war es, oder?

Ja, 2:0. Das beruhigt Sie, oder?
Ja, ich denke, dass sie auch wieder aufsteigen. Das wäre für die sehr, sehr gut.

Ich wünsche den Grünen - und Sie sind ja grün gekleidet - das Beste. Und ich bin froh, dass Sie nicht fahren müssen. Denn sonst... in Deutschland gibt es, glaube ich, nicht so viele milde Richter wie in Frankreich. Sie müssen um zwölf Uhr in Genf sein, das ist nur möglich über die Luft. Herzlichen Dank, Alain Prost.
Danke. Danke vielmals.



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