SPORT AUTO, 01.09.1987

Interview: Sport auto sprach mit Alain Prost
"Ein Formel 1-Sieg führt nur über Honda"



Das Interview führte sport auto-Redakteur Michael Schmidt

Seit dem Grand Prix von Monaco läuft bei McLaren-Porsche einiges schief.
Wir durchlaufen gerade ein Tief, keine Frage. Daß ich nicht zufrieden bin, ist auch klar. Aber man muß bei allen Problemen, die wir haben, akzeptieren, daß es nicht immer optimal laufen kann. So ist der Rennsport.

Die Erkenntnis, daß man nicht immer gewinnen kann, ist sicher keine Erklärung für die Probleme, die McLaren und Porsche haben?
Nein, sicher nicht. Unser großes Problem ist schnell erklärt. Wir sind nicht zuverlässig genug. Im Motor oder dem Umfeld des Motors treten zur Zeit zu viele mechanische Schwächen auf. Bevor sich das nicht bessert, können wir keine Weiterentwicklung betreiben. Es hat keinen Sinn aufzurüsten, wenn wir nicht mal die Zielflagge sehen.

Kann ein intakter TAG-Turbo mit dem Honda-Motor mithalten?
Honda hat in dieser Saison einen großen Schritt vorwärts gemacht. In Leistung und Verbrauch haben sie leichte Vorteile, in der Zuverlässigkeit sind sie uns ganz klar überlegen.

Und das Chassis. Hat McLaren da noch einen Vorsprung?
Ich glaube, daß wir mit dem Chassis noch einen kleinen Vorsprung haben. In den Kurven mache ich immer ein paar Meter auf die Williams gut. Man konnte das in Paul Ricard und in Hockenheim gut beobachten. Trotzdem ist das Williams-Chassis eines der besten in der Formel 1. Lotus fährt mit dem gleichen Motor deutlich hinterher. Wenn bei uns alles perfekt läuft, können wir dagegen mit den Williams-Honda mithalten. Das hat Hockenheim bis zu meinem Ausfall gezeigt. Silverstone war eine Ausnahme. Da sind die Williams in einer anderen Welt gefahren, weil wir vom Start weg Probleme mit dem Motor hatten. Ich bin dort mit sowenig Ladedruck wie noch nie zuvor gefahren, hatte mindestens 100 PS weniger als die Honda und war trotzdem mit dem Spritverbrauch im Minus.

Können McLaren und Porsche die Zuverlässigkeitsprobleme wieder in den Griff bekommen?
Das ist in dieser Phase der Saison sehr schwierig, weil innerhalb weniger Wochen so viele Rennen stattfinden. Im letzten Jahr hatten wir zum gleichen Zeitpunkt ähnliche Schwierigkeiten. Wir haben damals die Talsohle überwunden, und meine einzige Hoffnung ist, daß wir auch diesmal wieder aus dem Tief herausfinden.

Ist diese Parallele zum letzten Jahr ein Zufall?
In diesem Saisonabschnitt ist alles so hektisch, da gibt es so viel Arbeit in knapp bemessener Zeit, daß Fehler zwangsläufig auftreten. Wenn man dann noch wie wir unter dem Druck arbeiten muß, einen Rückstand aufzuholen, potenziert das die Schwierigkeiten.

Honda muß aber unter den gleichen Voraussetzungen arbeiten?
Porsche und Honda kann man in diesem Punkt nicht vergleichen. Das ist, gemessen am finanziellen und personellen Aufwand, ein Kampf eines Handwerksbetriebes gegen ein Industrieunternehmen. Honda entwickelt laufend neue Dinge, es vergeht kein Rennen, in dem die nicht einen Schritt nach vorne machen.

Was passiert, wenn Honda weiterhin so deutlich in der Formel 1 dominiert?
In gewisser Hinsicht ist Honda eine Gefahr für die Formel 1. Sie stecken so viel Geld in den Motorsport, daß die europäische Industrie nicht mehr mithalten kann. In Europa ist es eben schwierig, Geld für den Motorsport zu besorgen.

Was heißt das für die Zukunft?
Solange wir mit Turbomotoren fahren, wird es sehr schwer sein, Honda zu schlagen. Auch mit einem Ladedruck-Limit von 2,5 bar. In der Saugmotor-Ära wird sich alles wieder normalisieren, weil die Entwicklung dann in kleineren Schritten vorwärts geht.

Honda hat aber gerade auf dem Saugmotor-Sektor sehr große Erfahrungen. Man denke nur an den Motorradsport.
Solange Honda in der Formel 1 bleibt, wird das immer die Marke sein, die es zu schlagen gilt.

Ein Blick auf die Weltmeisterschaft. Der Punktestand sagt, daß es wieder ein Rennen zwischen Mansell, Piquet, Senna und Ihnen wird. Mit Vorteilen für die Williams-Piloten?
Für mich sind Mansell und Piquet die Favoriten. Ich habe nur eine Chance, wenn wir das Problem der Zuverlässigkeit lösen. An Senna glaube ich nicht.

Warum nicht Senna?
Der Lotus ist einfach langsamer als der Williams. Und die aktive Aufhängung ist auch nicht der Weisheit letzter Schluß. Sie bietet ohne Zweifel ein paar Vorteile auf engen und unebenen Strecken, aber überlegen ist sie dort auch nicht. Nigel Mansell war in Monaco und Detroit klar schneller als Senna.

Ist die aktive Aufhängung von Lotus richtungsweisend für die Zukunft, oder sollte man das System aus Kostengründen verbieten?
Wenn man diese Aufhängung verbieten könnte, wäre mir wohler. Ich bin für ein Verbot, nicht etwa weil ich fürchte, daß Lotus eines Tages mit diesem System alles gewinnt, sondern weil ich das Ganze als einen unnötigen Kostenfaktor sehe.

Entwickelt McLaren ein ähnliches Aufhängungssystem?
Nein. Wir haben im Augenblick wirklich andere Sorgen, als uns um eine aktive Aufhängung zu kümmern.

Nelson Piquet, Nigel Mansell, Ayrton Senna und Sie dominieren nun schon im zweiten Jahr die Formel 1-WM. Ist dieses Quartett tatsächlich eine Klasse besser als der Rest?
Man darf nicht vergessen, daß wir in den besten Autos sitzen. Trotzdem gibt es außer uns höchstens noch zwei oder drei Piloten der obersten Kategorie. Die Spitze in der Formel 1 ist unheimlich dünn, und ich sehe im Nachwuchs auch keinen, der dort einmal dazustoßen könnte.

Es gibt in der Formel 1 auch Fahrer, die beim Überrunden zur Gefahr werden. Fabre zum Beispiel?
Das Problem ist, daß die Fahrer mit der geringsten Erfahrung auch in den schlechtesten Autos sitzen. Es gibt in der Formel 1 in diesem Jahr fahrerisch und technisch so große Unterschiede wie nie zuvor. Ein Zustand, der schlecht und gefährlich ist.

Nach Lauda und Rosberg haben Sie mit Stefan Johansson einen Teamkollegen, der Ihnen nicht das Wasser reichen kann. Wäre Ihnen ein Konkurrenzkampf wie im Williams-Team lieber?
Das Wichtigste ist, daß sich zwei Fahrer im Team verstehen; sonst leidet das Teamwork. Konkurrenz durch den Stallgefährten kann gut sein. Wenn sie so ausartet wie bei Williams, bringt der interne Wettbewerb eher Nachteile. Da ist alles so übertrieben, daß es schon gefährlich ist.

Ist es eine Überraschung für Sie, daß Piquet mit Mansell solche Probleme hat?
Nigel Mansell fährt immer und überall am Limit, er ist meistens der Schnellste und strotzt vor Selbstvertrauen und Motivation. So einen zu schlagen, ist immer schwer.

Sie haben für zwei weitere Jahre bei McLaren unterschrieben. Warum?
McLaren hat mir für die nächsten zwei Jahre einen konkurrenzfähigen Motor garantiert.

Welchen?
Es ist noch zu früh, darüber zu sprechen.

Sie hatten auch ein Angebot von Ferrari?
Ja, aber ich habe abgelehnt. Ich will mich in dem Rennstall, für den ich fahre, wohl fühlen und habe keine Lust, mich jeden Tag mit der Politik im Haus und mit der Presse herumzuschlagen. Ferrari ist für mich kein Thema mehr.

Kam das Angebot von John Barnard?
John Barnard hätte mich gerne im Team gehabt, aber das ist für mich kein Grund, bei Ferrari zu unterschreiben, obwohl ich ihn sehr schätze. Wenn die Formel 1 kein Sport mehr ist, sondern ein Beruf mit unangenehmen Begleiterscheinungen, dann stellt sie keinen Anreiz für mich dar.

Wird im nächsten Jahr ein Turbo oder bereits ein Sauger die WM gewinnen?
Ich glaube, daß 1988 noch einmal die Turbomotoren dominieren werden. Ich habe keine Angst vor der Motorenwahl. Es gibt ja nicht viele Möglichkeiten, sich zu täuschen, und man darf während der Saison auf einen Sauger umsteigen, wenn es notwendig sein sollte.

Bauen TAG und Porsche für die Rennsaison 1989 einen Saugmotor?
Kann ich nicht sagen. Wenn sie einen bauen, dann müssen sie sich beeilen, weil Honda mit dem Saugmotor schon ziemlich weit ist.



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