BLICK, 21.10.1992

Blick-Exklusivinterview
Prost: "Ich fahre gegen alle Piloten – Senna fährt nur gegen mich"


Der Mann ist umstritten. Trotz den Rekordzahlen von 44 Siegen und 699,5 WM-Punkten in 183 Rennen. Nach einem Jahr Pause kehrt der dreifache Weltmeister Alain Prost (37) nächste Saison im Williams-Renault auf die Grand Prix-Strecken zurück. Ein Comeback, von Blitz und Donner begleitet. Doch der in Yens (VD) lebende Franzose sagt im BLICK-Exklusivinterview trocken: "Früher habe ich mich über das Etikett des Politikers geärgert. Heute amüsiert es mich!"

Wie fühlt man sich nach den ersten sechs Testtagen in Estoril und Le Castellet?
Es war, als hätte es die Pause nie gegeben. Das Gefühl der Freude kam erst nach vier Runden. Um ehrlich zu sein: Es waren meinerseits schon Zweifel da. Wegen der ungewohnten Technik der Computer-Aufhängung – und auch wegen der Kondition.

Waren die sieben Monate Pause auch Erholung vom Stress?
Mental ja, körperlich nein. Ich wollte kein lockeres Leben führen und bin fast jeden Tag bis zu 100 Kilometer Rad gefahren. In der grössten Hitze die Passstrassen rauf und runter. Bis mir schlecht wurde!

Formel 1 als Droge?
Wenn Rennfahren nur bedeutet, im Auto zu sitzen und Gas zu geben, dann nein. Ich hätte 1992 für Benetton und sogar Ferrari fahren können. Angebote gab es genug. Aber ich will ein Team und das technische Konzept weiterentwickeln. Nur einsteigen und fahren langweilt mich.

Wird der Fahrer durch die Technik entwertet?
Das pure Können verliert vielleicht an Wert. Aber man muss mehr mitdenken – die Rolle verändert sich.

Rezession, aber die Topteams rüsten weiter auf...
Ich bin nur auf der politischen Seite pessimistisch. Dieses Theater könnte einige Hersteller abschrecken. Aber gerade in schlechten Zeiten sollte man etwas wagen. Langfristig werden nur Automobilfirmen überleben, die Mut zum Risiko zeigen.

Wie fanden Prost und Williams zusammen?
Am Tag, als mich Ferrari nach dem GP Japan 1991 rauswarf, rief mich Frank Williams an...

Und dann gab's einen Vertrag oder was?
Ein Vertrag ist ein Papier, das beide Parteien zu einem bestimmten Datum unterschreiben. Wenn wir uns darauf einigen, dann hatte ich seit Ende September einen Vertrag mit Williams.

Also verband dich und Williams zuvor nur eine moralische Verpflichtung?
Was meine Person betrifft, ja. Williams hätte sich theoretisch für jeden Fahrer entscheiden können.

Warum machte man so lange ein Geheimnis aus der Vereinbarung?
Ich hatte im Dezember 1991 zu Frank gesagt, dass ich nur zwei Ziele habe. Priorität hat ein eigenes Team mit Ligier. Wenn das nicht funktioniert, will ich den vierten WM-Titel. Als sich die Sache mit Ligier zerschlug, habe ich Williams gesagt, dass ich bereit bin. Vor dem GP Brasilien haben wir einige Details besprochen. Dass man alles geheim hielt, war logisch. Denn man wollte Mansell und Patrese nicht vor den Kopf stossen. Und Renaults Jagd auf den Titel wäre in den Diskussionen untergegangen.

Aber genau das ist passiert...
Ja weil Senna alles ausgeplaudert hat. Er wollte Unruhe stiften, um auf diesem Weg zu Williams zu kommen. Es war seine einzige Chance. Ich kann mich nicht in seine Gedankengänge hineinversetzen. Seine Strategie war weder intelligent noch besonders schlau.

Gab es in der vielzitierten Vereinbarung eine Ausschlussklausel gegen Ayrton Senna?
Williams hat mich einmal gefragt, ob ich mir vorstellen könne, mit Senna wieder in einem Team zu fahren. Ich bat um Bedenkzeit. Die Sache war reizvoll, und die Medien hätten uns hochgejubelt. Aber dann sagte ich Frank: Es gibt nicht Senna und Prost, sondern nur Senna oder Prost. Die Wahl liegt bei dir.

War die zweite Versöhnung zwischen dir uns Senna in Budapest '91 also nur Show?
Ich habe geschworen, über dieses Meeting nichts zu sagen. Ich kann nur sagen, dass es eine echte Versöhnung war. Jetzt habe ich ihn im August angerufen und erklärt, warum ich nicht mit ihm bei Williams fahren will. Und was tut er? Er bezeichnet mich in der Presse als Feigling. Er hätte mir das ins Gesicht sagen können, wie ich es ihm gegenüber getan habe.

Was hat Nigel Mansell falsch gemacht?
Ich verstehe bis heute nicht, warum er zurückgetreten ist. Einmal erklärt er, dass Prost als Teamkollege nicht in Frage komme. Dann ist ihm plötzlich das Gehalt wichtig. Dann ist ihm Prost genehm, wenn die Bedingungen stimmen. Alles wirres Zeug.

Das Gehalt...
Über den Lohn, und dass man nicht mehr jede Summe zahlen kann, hat man mit Mansell sehr wohl gesprochen. Frank Williams zum Beispiel fragte mich am Samstag beim GP Italien in Monza, ob ich auf einen Teil meines vereinbarten Gehaltes verzichten würde, um damit die Gage von Mansell aufbessern zu können! Ich habe zugestimmt, aber es half trotzdem nichts. Drei Tage später unterschrieb er in Amerika. Für mich hatte er sich schon lange vor Monza von der Formel 1 verabschiedet!

Sennas Ankündigung, sich 1993 auf den Pisten dafür zu rächen, dass du ihm den Weg zu Williams verbaut hast, lässt einen neuen Krieg vermuten...
Dass er sich damit motiviert, mich zu schlagen, ist normal. Ich will auch gewinnen. Aber der Unterschied ist: Ich fahre gegen alle andern, Senna fährt nur gegen mich.

Beunruhigt dich das?
Seine Worte hören sich an, als wolle er mich bei jedem Start abschiessen. Aber die FISA ist dank Senna ja vorgewarnt!




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