BILD AM SONNTAG, 24.08.1997

BamS-Gespräch mit dem viermaligen Weltmeister

Prost: Die Jungen fahren nur noch nach Computer...


Von HELMUT UHL

Alain Prost arbeitet viel lieber, als daß er viel redet. Der "Professor", wie der viermalige Formel 1-Weltmeister schon als Fahrer genannt wurde, behält meist alle Erkenntnisse - und auch seine Meinung - für sich. Für BamS machte der Teamchef von Prost-Mugen-Honda eine Ausnahme.

Ihre vier WM-Titel haben Sie finanziell unabhängig gemacht. Warum machen Sie sich nicht ein schönes Leben? Was hat Sie zurück in die Formel 1 getrieben?
(Alain lacht) Klar könnte ich nur noch in der Sonne liegen. Aber ich habe wieder eine Herausforderung im Leben gebraucht. Ich fühle mich nutzlos, wenn ich nichts mache. Außerdem bin ich erst 42. Meine Kinder sind jetzt 16 und 7 Jahre alt. Ich will ihnen zeigen, daß ihr Vater nicht nur tatenlos in der Sonne herumliegt. Ich habe als Vater die Verpflichtung, meinen Kindern zu zeigen, was man im Leben schaffen kann.

Aber als Formel 1-Teamchef fallen Sie ja wieder ins andere Extrem...
Es ist schwer, einen Kompromiß zu finden zwischen dem, was ich machen möchte, und dem, was ich machen sollte. Abends, wenn ich zu Hause sitze, denke ich manchmal, daß es dumm ist, so wenig Zeit für meine Familie zu haben. Das erste Jahr ist schwierig in der Formel 1. Der ganze Druck lastet auf meinen Schultern. Ich arbeite 15 Stunden am Tag, habe ein Jahr keine Ferien gehabt. Am schlimmsten ist, daß ich keine Zeit mehr habe, Sport zu treiben. Vor allem das Radfahren ist eine Leidenschaft von mir.

Haben Sie wenigstens den deutschen Tour-Helden Jan Ullrich verfolgt?
Vier oder fünf Etappen habe ich gesehen. Er fährt phantastisch. Ich bin früher selbst den Tourmalet hochgefahren. Dieses Jahr hatte ich keine Zeit dafür. Ich bin schon happy, wenn ich mal vor der Arbeit ein bißchen laufen kann.

Wie zahlt sich denn der Dauerstreß aus?
Unser Formel 1-Projekt ist für die nächsten drei Jahre finanziell gesichert. Ab 1998 fahren wir mit Peugeot-Motoren. Ich hoffe, daß es weiter aufwärts geht. Längere Verträge sind in der Formel 1 kaum möglich.

Sie hatten in 199 Rennen 51 Siege und 798,5 WM-Punkte zusammengefahren. Michael Schumacher in 96 Rennen 25 Siege und 418 WM-Zähler. Glauben Sie, daß er Sie als erfolgreichsten Formel 1 -Pilot ablösen könnte?
Gut möglich. Er ist zur Zeit der beste Fahrer. Er ist intelligent, hat seine Sieg-Taktik auf WM-Taktik umgestellt. Er will den dritten Titel. Ich muß aber auch sagen, daß er im Moment der einzige herausragende Fahrer ist. Wir waren früher immer vier, fünf starke Typen, wie Mansell, Senna oder Piquet.

Was unterscheidet Michael Schumacher von den anderen?
Daß er neben seiner Schnelligkeit allein mit seinem positiven Auftreten eine unheimliche Motivation im Ferrari-Team auslöst. Er geht außerdem unkompliziert an seine Arbeit.

Liegt der Erfolg der Italiener mehr an Ferrari oder mehr an Schumacher?
An beiden. Sie haben sich gegenseitig mit ihrer Arbeit hochgeschaukelt. Die Italiener haben sich gesagt: Dem zeigen wir, was wir leisten können! Und er hat gesagt: Denen zeige ich, was ich bewegen kann! So kam der Ferrari-Aufschwung zustande.

Sie haben drei Ihrer vier Titel im McLaren geholt, den anderen bei Williams. Bei beiden lief es zuletzt nicht mehr so gut. Woran liegt's denn?
Ich kenne die Probleme und weiß, wo die Fehler liegen. Nicht alle natürlich, aber einige. Aber erstens sage ich sie nicht. Und zweitens versuche ich, sie in meinem Team zu vermeiden. Ich weiß aber nicht, ob ich sie bei denen lösen könnte. In der Formel 1 entscheiden heute so winzige Kleinigkeiten über die ersten Plätze, da möchte ich nicht öffentlich kritisieren. Wenn du heute denkst, du hast ein Problem im Griff , taucht schon wieder ein neues auf.

Und wer taucht in der nächsten Saison neben Olivier Panis als zweiter Pilot auf?
Olivier Panis brauchen wir dringend! Er fährt auf alle Fälle die nächsten zwei Jahre für uns. Hill oder Alesi heißen seine Partner nicht! Das sind reine Spekulationen von anderen. Olivier kann nach seinem Unfall übrigens schon wieder ohne Krücken laufen. Er kommt in Zeltweg oder in Suzuka zurück.

Was halten Sie von den jungen Fahrern wie Wurz, Trulli, Fisichella, Ralf Schumacher?
Die sind nicht mehr neugierig, was das Auto betrifft. Unsere Generation hat näher mit den Ingenieuren gearbeitet, hat mehr am Auto mitgebaut. Wir haben das Auto mehr und besser gekannt. Die jungen Fahrer heute kennen mehr die Computerausdrucke und stellen sich mit ihren fahrerischen Qualitäten darauf ein. Sie sind am Anfang sehr schnell, aber man weiß nicht, wie lange sie das durchhalten.



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